... oder "Wo kann ich denn bitte mein Gehirn abgeben?"
Diese beiden Fragen fallen mir leider immer wieder spontan ein, wenn ich so manche Studenten höre oder deren Einträge in Foren o.ä. lese. Klar, Studenten selbst haben auch gegen Klischees und Vorurteile zu kämpfen, da sie heute noch immer als so gut wie ausschliesslich links, faul, Mamasöhnchen oder Papas kleines Mädchen, Ökos etc. angesehen werden. Dass sich die politische Haltung der meisten Studenten (sofern sie denn eine haben) nicht mehr auf das linke Spektrum beschränkt, ist mittlerweile klar. Aber, dank einiger Kommilitonen, werden Studenten im Allgemeinen das Bild der verwöhnten Kinder, die sich durchs Studium mogeln nicht los. Wieviele neben dem Studium noch arbeiten gehen und zum Teil schon Familie haben, wissen viele Menschen, die ihre Klischees und Vorurteile gegenüber Studenten verkünden, gar nicht. Allein die Studiengebühren in einigen Bundesländern haben gezeigt, dass der Grossteil der Studenten eben nicht einfach nur Mama und Papa für alles zahlen lässt.
Es ist nur erschreckend, wie sich Studenten immer über die oben genannten Klischees und Vorurteile der Nichtstudenten echauffieren und am Ende selbst nichts Besseres über bestimmte Gruppen der Gesellschaft zu sagen haben, als die verbreiteten Stereotypen. So durfte ich neulich in einem Studentenforum sinngemäss lesen, dass sich Hartz-IV-Empfänger eigentlich glücklich schätzen könnten, denn wenn sie nicht so viel Geld für Alkohol und Tabakwaren ausgäben, wäre ihre Wohnung ja voll von den neuesten Geräten, die die Technikindustrie zu bieten hat, und der Kühlschrank auch immer voll. Ganz schön in die Scheisse gegriffen! Es bestreitet ja niemand, dass es durchaus Leute gibt, die sich denken "Warum soll ich arbeiten gehen, wenn der Staat doch alle Kosten übernimmt?" und dass die ein oder andere Arbeitslosigkeit hausgemacht ist, sehe ich auch so. Aber dass ein grosser Teil der Nichterwerbstätigen und Hartz-IV-Empfänger am Rande, zu nicht geringen Teilen sogar unter, der Armutsgrenze leben, möchte niemand wahrhaben.
Auch Studenten untereinander können sehr vorurteilsbeladen sein, was mich dann hin und wieder an das "Mamasöhnchen"-Klischee erinnert. Als die Einführung der Studiengebühren in Hessen eine Protestwelle (keine sonderlich grosse, aber immerhin eine) über die hessischen Universitäten und Fachhochschule rollen liess, ging ich mit einigen Freunden auf die Vollversammlungen an unserer Universität und siehe da: ein Mamasöhnchen hatte sich zu uns gesellt und ging uns mit nervigen Aussagen zum Thema Studiengebühren gehörig auf den Keks. Sinngemäss äusserte dieser Kommilitone, dass er Studiengebühren für gerechtfertigt halte und dass die, die sich das nicht leisten können, eben schauen müssen wie sie das finanzieren oder eben nicht studieren können/sollen. Des Weiteren empfand er es auch als vollkommen in Ordnung, wenn so genannte "Bildungsausländer" bis zu 1500 €/pro Semester für ein Studium an unserer Universität bezahlen sollen. Dass diese Menschen vielleicht aus politischen Gründen oder einfach aus dem Grund, dass es in ihrem Land eventuell keine oder erheblich schlechtere Möglichkeiten zum Studieren gibt, nicht in ihrer Heimat studieren können interessierten ihn dabei nicht.
Doch nicht nur Studenten haben ein Problem damit alten Klischees und Vorurteilen gegenüber anderen abzuschwören. Auch wenn es ein leidiges Thema ist und schon so viel dazu gesagt wurde, anscheinend ist das Bild der Deutschen im Ausland zum Teil noch immer nicht besser geworden. Nach langen Überlegungen habe ich mich dazu entschlossen für ein Semester an eine schwedisch Universität zu gehen, um das in Deutschland gelernte Schwedisch zu verbessern. Berichte von Bekannten und Freunden, die im Ausland mit dem Naziklischee/-vorurteil konfrontiert wurden, konnte ich mir zwar durchaus vorstellen, war allerdings immer der festen Überzeugung mir könne das nicht passieren. Allerdings wurde auch diese Hoffnung zu nichte gemacht, als wir eines Abends etwas trinken waren: Ich stand gerade an der Theke, um mir ein Bier zu holen, als mich auf einmal ein älterer (schätzungsweise irgendwo zwischen 45 und 60 Jahren alt) Schwede, offensichtlich schon angetrunken oder betrunken, auf schwedisch anspricht. Da ich, trotz des Planes mein Schweisch in Schweden zu verbessern, gerade nicht in der Laune war ihm auf schwedisch zu antworten, sprach ich englisch. Bad bad thing, never do it again! Gezwungenermassen fragte er mich, wo ich herkomme und ich antwortete natürlich, dass ich aus Deutschland bin. Die Reaktion hat mich eigentlich eher wütend als traurig gemacht, andere hätten vielleicht auch darüber gelacht... Da stand nun dieser Mensch vor mir, sagt: "Oh, Germany.", hält sich die Finger der linken Hand als Hitlerbart über den Mund und hebt die rechte Hand zum Hitlergruss. In diesem Moment war ich leider so perplex, dass ich nur mein Bier nahm und zurück an unseren Tisch ging. Naja, am nächsten Tag war diese Begegnung der etwas anderen Art auch schon wieder so gut wie vergessen. Nur war ich anscheinend nicht die Einzige, der hier solche Sachen passiert sind. Andere Austauschstudenten aus Deutschland haben auch von solchen Begegnungen der anderen Art mit Schweden erzählt.
Natürlich gibt es über jede Gruppe innerhalb einer Gesellschaft, Subkulturen, Minderheiten jeglicher Art und verschiedene Nationen bestimmte Vorurteile und Witze, sowie Klischees und Stereotypen, aber ich finde es traurig, dass so wenige Menschen bereit sind sich damit auseinanderzusetzen und ihre Sichtweise gegebenenfalls zu korrigieren. Doch gerade für Studenten finde ich es ein absolutes Armutszeugnis, dass sie sich anscheinend vermehrt dieser Klischees und Vorurteile bedienen, um sich ihre kleine Welt bequem zu machen.